Fahrrad fahren hat viele Vorteile. Du lebst länger, erhöhst deinen Kalorienverbrauch, entlastest deine Gelenke, wirst kreativer, kannst dein Gehirn einmal durchlüften und bekommst gute Laune. Zusätzlich wird dein Geldbeutel geschont und du tust etwas Gutes für die Umwelt.
Ich selbst, als Hobbyradfahrer, will meine Touren nicht mehr missen, sei es wegen des entspannten und ausgeglichenen Gefühls danach oder einfach dem Erlebnis, die Umgebung und Landschaft zu erkunden. Um deine Gesundheit durch das Radfahren zu verbessern, musst du nicht gleich auf den höchsten Berg Spaniens fahren. Insbesondere das Fahrradfahren im Alltag oder zur Arbeit hat einen immens großen Nutzen, wie wir gleich sehen werden.
1) Du lebst länger
Sport ist neben der Ernährung und sozialen Kontakten das Instrument für ein längeres Leben und insbesondere für ein Leben, an dem du noch aktiv teilnehmen kannst. Du kannst dir selbst einmal die Frage stellen, welchen Preis du für deine Art zu leben bezahlst. Nimmst du dir Zeit, dich aktiv zu bewegen und nachweislich damit das Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen zu reduzieren? Oder bist du eher inaktiv, mit den langfristigen Folgen wie Übergewicht sowie diversen Zivilisationsleiden mit steigendem Alter? Du darfst hier gerne deine eigene goldene Mitte finden, ohne von einem Extrem in das andere zu rutschen.
Wie eine systematische Überprüfung von Oja et al. aus dem Jahre 2011 mit insgesamt 16 Studien ergab, senkt das regelmäßige Radfahren, insbesondere auch das tägliche Pendeln mit dem Fahrrad, die Gesamtsterblichkeit, das Risiko für Krebserkrankungen und verbessert insgesamt deine allgemeine Fitness. Wenn du Fahrrad fährst, trainierst du dein Herz-Kreislaufsystem. Das Blut im Körper zirkuliert stärker und die Gefäße erweitern sich und werden elastischer. Somit kannst du die Gefahr für einen Schlaganfall bereits drastisch reduzieren. Auch dein Herzmuskel wird durch die Aktivität größer, wodurch der Ruhepuls sinkt. Auf diese Weise wird das Risiko für einen Herzinfarkt signifikant um bis die Hälfte reduziert. (1)
Wie viel Fahrrad fahren solltest du nun pro Woche? Ein guter Schnitt liegt bei 30 Minuten Radfahren am Tag. Dabei ist es erstmal unerheblich, ob nun als sportliche Tour oder als Alltagsbewegung mit einer geringen Belastung von ca. 60 % der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO₂max). Dieser Wert sagt aus, welches Volumen (V) an Sauerstoff (O₂) vom Körper maximal (max) während der Aktivität aufgenommen und in die Zellen weitergereicht werden kann. Der VO₂max gibt also die Leistungsfähigkeit deines Körpers an und kann sich durch regelmäßiges Training auch bis zu einem gewissen Grad verbessern. Im Alltag würdest du z.B. beim Treppensteigen weniger schnell aus der Puste kommen. (2)
2) Du steigerst deinen Kalorienverbrauch
Fahrrad fahren kurbelt deinen Kalorienverbrauch an. Je nach Intensität und dem eigenen Körpergewicht variiert dabei der Kalorienverbrauch beim Radfahren.
Ein Beispiel: Eine Person mit 70 kg verbraucht bei 30 Minuten Fahrrad fahren mit moderater Intensität, also z.B. zur Arbeit, im Mittel 200 kcal in nur 30 Minuten. Wenn es etwas sportlicher werden darf, steigt der Kalorienverbrauch bei einer Ausfahrt von einer Stunde auf bereits im Mittel 500 kcal an.
Zum Vergleich: Wenn du deinen Körperfettanteil reduzieren möchtest, ist ein Kaloriendefizit von ca. 7000 kcal nötig, um ein 1 kg Körperfett abzubauen.
Deinen individuellen Kalorienverbrauch beim Radfahren kannst du gerne selbst berechnen:
Um in die gesundheitlichen Vorteile des Fahrrad Fahrens zu kommen und die Lebenserwartung zu erhöhen, wird ein zusätzlicher Kalorienverbrauch von ca. 1000 kcal / Woche empfohlen. Diese sind nicht nur auf das Fahrradfahren beschränkt, lassen sich damit jedoch recht einfach erreichen. Das wäre in einen Monat bereits ein halbes Kilo Fett, falls du Abnehmen möchtest. (3)
3) Du entlastest deine Gelenke
Sitzen ist das neue Rauchen? Dann ab auf das Fahrrad! Falls du aus bestimmten Gründen nicht Laufen gehen kannst oder es dir keinen Spaß macht, ist Fahrrad fahren genau die richtige Alternative. Es stärkt nebenbei auch deine Rückenmuskulatur und wirkt dadurch ausgleichend bei Rückenbeschwerden.
Ein großer Pluspunkt ist die geringe Belastung der Gelenke, da das Körpergewicht vom Schwerpunkt auf dem Sattel liegt. Somit werden die Gelenke, auch bei Übergewicht, keiner zu starken Belastung ausgesetzt. Radfahren ist also eine gute Möglichkeit zur Vorbeugung von Arthrose, d.h. dem Abbau von Gelenkknorpel. Selbst wenn du bereits damit zu kämpfen hast, ist Fahrrad fahren eine schonende Variante, um dennoch beweglich zu bleiben. Der Hintergrund dafür ist recht einfach. Beim Pedalieren wird dein Gelenkknorpel mit Gelenkflüssigkeit durch den Wechsel zwischen Belastung und Entlastung (Diffusion) versorgt. Fehlt nun die Bewegung, wird der Gelenkknorpel nicht mit ausreichend Nährstoffen durch die Gelenkflüssigkeit versorgt. Die Zellen des Knorpels sind nun unterversorgt und verabschieden sich nach und nach. Der Knorpel weicht nun mehr und mehr auf und wird rissig und durch die Bewegung der Gelenke abgerieben. Auch Fehlstellungen oder eine zu starke Belastung der Gelenke können die Entstehung von Arthrose begünstigen.
4) Du wirst kreativer
Jeden Tag das gleiche zu tun, wird unweigerlich immer wieder die gleichen Resultate hervorbringen. Wenn du dich zum Fahrrad fahren auf den Sattel schwingst und deinen Kopf richtig „durchlüftest“, fördert dies die Vernetzung im Gehirn. Zum einem wird die Sauerstoffversorgung des Gehirns verbessert und zum anderen werden neue Synapsen gebildet. Entscheidend ist am Ende die interne Vernetzung der Synapsen. Das kannst du dir wie ein gut ausgebautes Straßennetzwerk vorstellen. Es gibt immer wieder Möglichkeiten, neue Wege zu fahren oder bestehende Routen abzuändern oder neu zu kombinieren. Der Vorteil am menschlichen Gehirn ist, es kann seine Vernetzungen umformen und neugestalten. Unser Gehirn hat also die Fähigkeit, sich weiterzuentwickeln (Neuroplastizität). Es ist kein starres Gebilde, das mit dem Erwachsenenalter ausgewachsen ist und sich nicht mehr verändert.
Durch das regelmäßige Fahrrad fahren, egal ob im Alltag oder als Sport, wird das Gehirn anpassungsfähiger. Durch diese Reize wird die gesamte Motorik und auch die Gedächtnisleistung verbessert. Dadurch bist du in der Lage, kreativer und leistungsfähiger zu werden, sowohl physisch als auch mental. Eine lange gesuchte Lösung zu einem Problem kommt in den Sinn, Lernen fällt leichter, du bekommst spontan neue Ideen oder die Leistung im Alltag verbessert sich. Das Ganze, ohne dich dabei gestresst zu fühlen. Es läuft dann einfach wie von selbst. (4,5)
5) Du tust etwas für deine mentale Gesundheit und Psyche
Mit dem Fahrrad kann beim Fahren über Straßen, Berge oder durch Wald ein Gefühl von Freiheit entstehen. Es weckt vielleicht einen Urinstinkt in uns, die Umgebung zu erkunden, neues zu entdecken aber auch gleichzeitig wieder schnell im sicheren Gefilde zu sein. Radfahren hilft dabei, den eigenen Tag-Nacht Rhythmus einzustellen, indem du bei Tageslicht unterwegs bist und damit deinen Hormonhaushalt ausgleichst, insbesondere die Hormone Dopamin und Melatonin. Dopamin wirkt dabei eher anregend. Du hast deine Tour geschafft und erlebst danach Gefühle von Stolz und Erfüllung.: „Ich habe es geschafft, ich bin stolz auf mich.“ Das ist der Effekt des Belohnungshormones Dopamin. Funktioniert sehr gut bei Sport. (6)
Die Bildung des Schlafhormons Melatonin wird über die aufgenommene Lichteinstrahlung auf dem Auge reguliert. Fahrrad fahren hilft dem Körper zu signalisieren, wach zu sein. Im Gegenzug wird bei Einsetzen der Dunkelheit vermehrt Melatonin produziert, um zu signalisieren, du darfst dich langsam in Richtung Bett bewegen. Melatonin wird in der Zirbeldrüse aus dem „Glückshormon“ Serotonin gebildet. Falls du depressive Neigungen oder Probleme beim Einschlafen hast, ist es hilfreich, die körpereigene Serotinproduktion hochzuschrauben. Serotonin wird aus der Aminosäure Tryptophan gebildet. Diese Aminosäure kann man essen. Geht am einfachsten durch eine gezielte Supplementierung. Nebenbei wird durch die Bewegung beim Fahrradfahren auch das Stresshormon Cortisol reduziert, was einen erheblichen Einfluss auf die mentale Leistungsfähigkeit und den Schlaf hat. Begünstigt wird dieser Effekt durch das zyklische Kurbeln beim Radfahren. Es entsteht ein ausgleichender Effekt. Dadurch kannst du mit wenig Aufwand zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. (7)
Fährst du mit Freunden oder in der Gruppe Fahrrad, tust du gleich noch etwas Gutes für dein Sozialleben. Das Sprichwort „Schweiß verbindet“ kommt nicht von ungefähr. Radfahren verbindet durch das gemeinsame Lachen, Reden und Zuhören, sich anfeuern und die Freude, den inneren Schweinehund überwunden zu haben. Es kann zu einer tiefgreifenden Verbindung führen und deiner emotionalen Gesundheit einen Schub nach vorne geben. Fahrradfahrer haben wenig überraschend, deutlich seltener mit Depressionen, Verstimmungen oder starken Stressgefühlen zu kämpfen. (8)
6) Du lernst achtsam zu sein
Fahrrad fahren kann wie Meditation in Bewegung sein. Wenn du mit Achtsamkeit Fahrrad fährst, dann ist das Radeln nichts anderes als Meditation in Bewegung. Denn was ist Meditation im Kern? Wir konzentrieren uns auf unseren Atem im stillen Kämmerlein und versuchen, die Gedankenspirale für einen Moment abzuschalten. Nichts anderes geschieht beim Radfahren. Die Gedanken kommen unweigerlich zur Ruhe, wenn du dich achtsam auf deine Strecke konzentrierst. Es gibt keine Zukunft und keine Vergangenheit. Nur das Hier und Jetzt. Den eigenen Atem verbinden und mit dem Fahrrad eins werden und schon verschwinden die ganzen Gedanken, Sorgen, Probleme und Nöte. Fahrrad fahren ist dafür eine wunderbare Möglichkeit, um abzuschalten. Dein Kopf wird sich nach der Bewegung definitiv freier anfühlen und dein Gesamtzustand wird insgesamt ausgeglichener.
7) Du schonst deine Umwelt
Die Alltagsbewegung mit dem Fahrrad ist eine günstige Alternative zum Auto. Du musst dein Fahrrad nicht extra tanken und sparst die Spritkosten. Fahrrad fahren ist zudem mit wenigen Folgekosten nach der Anschaffung für Wartung und Verschleiß verbunden. Die Bewegung im Freien bei Wind und Wetter härtet ab. Es werden beim Radfahren keine Schadstoffe an die Umwelt emittiert und ein Fahrrad ist in der Regel bei guter Pflege sehr langlebig. Als kleines i-Tüpfelchen kannst du aktiv dazu beitragen, den innerstädtischen Verkehr zu entlasten. (9)
(1) Oja P, Titze S, Bauman A, et al. Health benefits of cycling: a systematic review: Cycling and health. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports 2011; 21: 496–509. doi:10.1111/j.1600-0838.2011.01299.x
(2) Maitland ME. Purposeful Exercise, Including Bicycle Transportation, Improves Health. Clinical Journal of Sport Medicine 2012; 22: 292–293. doi:10.1097/JSM.0b013e318256e797
(3) Haennel RG, Lemire F. Physical activity to prevent cardiovascular disease. How much is enough? Can Fam Physician 2002; 48: 65–71
(4) Svatkova A, Mandl RCW, Scheewe TW, et al. Physical Exercise Keeps the Brain Connected: Biking Increases White Matter Integrity in Patients With Schizophrenia and Healthy Controls. SCHBUL 2015; 41: 869–878. doi:10.1093/schbul/sbv033
(5) Lehmann N, Villringer A, Taubert M. Priming cardiovascular exercise improves complex motor skill learning by affecting the trajectory of learning-related brain plasticity. Sci Rep 2022; 12: 1107. doi:10.1038/s41598-022-05145-7
(6) Holst SC, Bersagliere A, Bachmann V, et al. Dopaminergic Role in Regulating Neurophysiological Markers of Sleep Homeostasis in Humans. Journal of Neuroscience 2014; 34: 566–573. doi:10.1523/JNEUROSCI.4128-13.2014
(7) Falkai P, Schmitt A, Rosenbeiger CP, et al. Aerobic exercise in severe mental illness: requirements from the perspective of sports medicine. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2021; doi:10.1007/s00406-021-01360-x
(8) Avila-Palencia I, Int Panis L, Dons E, et al. The effects of transport mode use on self-perceived health, mental health, and social contact measures: A cross-sectional and longitudinal study. 2018; doi:10.5167/UZH-153110
(9) Peruzzi M, Sanasi E, Pingitore A, et al. An overview of cycling as active transportation and as benefit for health. Minerva Cardioangiol 2020; 68. doi:10.23736/S0026-4725.20.05182-8